Kommunistischer Nachrichtendienst der KPD/ML und des KJVD, Jg. 1, Nr. 40, 10. Okt. 1970 [fehlt]
10.10.1970:
Die Nr. 40 des 'KND' der KPD/ML-ZB und des KJVD (vgl. 7.10.1970, 14.10.1970) erscheint mit 12 Seiten und der Schlagzeile "Verrat: 10% in NRW!", was sich auf die Tarifverhandlungen in der Eisen- und Stahlindustrie bezieht (vgl. 7.10.1970).
Berichtet wird aber auch über die Metalltarifrunden in Schleswig-Holstein (vgl. 6.10.1970) und Bayern (vgl. 12.10.1970) sowie aus Südbaden, wo die Verhandlungen für die 85 000 Metallarbeiter für gescheitert erklärt worden seien, so daß nun ein staatlicher Schlichter eingesetzt werde.
Auch mit der ÖD-Tarifrunde beschäftigt man sich bereits (vgl. 5.11.1970). Der ÖTV-Hauptvorstand habe sich bereit erklärt, auf Schillers Konjunkturprognosen und Genschers Lohnleitlinien Rücksicht zu nehmen. Dasselbe habe letzte Woche bereits die DAG versprochen. Für den privaten Güterverkehr wurden bereits 12, 5% mehr Stundenlohn im Fern- und 10% im Nahverkehr abgeschlossen.
Aus Essen wird über den Kampf der Betriebsgruppe Widia der KPD/ML-ZB gegen die zwei Entlassungen wegen des Streiks für die 15% berichtet:"
Die Widia-Betriebsgruppe der KPD/ML hatte sich mit den entlassenen Kollegen sofort solidarisiert und in ihrer Zeitung diese Wahnsinnsmaßnahmen der Kapitalisten entlarvt und den Verrat des Betriebsrats, der Entlassungen unterstützt hatte. Diese Solidarität der KPD/ML mit Kollegen, die sich klar für die gerechten Forderungen der Arbeiter eingesetzt hatten, hat jetzt die D'K'Pisten bewogen, ihren ganzen niederträchtigen Verrat an der Sache der Arbeiterklasse zu offenbaren:
Sie verteilten vor der Widia ein Flugblatt, in dem sie den Kruppherren und den rechten Gewerkschaftsführern nach dem Mund reden: Zuerst versichern sie da, daß der Streik nur ein Warnstreik gewesen sei, der selbstverständlich befristet war. dann folgt die Verurteilung des 'Fehlverhaltens einiger Belegschaftsmitglieder, das aus der gewerkschaftsfeindlichen Haltung dieser verschwindend kleinen Minderheit resultiere' und schließlich gehen sie zum direkten Angriff auf die KPD/ML über: sie werfen der Widida-Betriebsgruppe 'politisches Gangstertum' vor und erklären: 'Es ist deshalb unser ganz persönliches Anliegen, mit aller Deutlichkeit festzustellen: Die DKP hat mit der KPD/ML und ihrer 'Politik' nicht das allergeringste zu tun.' Mit der letzten Bemerkung haben die D'K'Pisten allerdings recht: Die D'K'P hat mit einer marxistisch-leninistischen Partei, mit der kompromißlosen Vertretung der Sache der Arbeiterklasse nicht das geringste zu tun."
Aus Herne wird vom ersten Flugblatt der eigenen Ortsgruppe bei Blaupunkt (vgl. 8.10.1970) und den dortigen Streiks (vgl. 5.10.1970) berichtet. Weitere Berichte aus NRW behandeln die Ingrid-Glashütte Euskirchen (vgl. 5.10.1970) und die Entlassung von 48 Arbeitern (davon 45 Jugoslawen) im größten Werk von Wickede (900 Beschäftigte). Hoesch wolle nun, da das neue Stahlwerk in Rotterdam wohl am Protest der dortigen Bevölkerung zu scheitern drohe, neue Anlagen in Dortmund bauen.
Eingegangen wird auch die Kontroverse um die Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst von Duisburg. Gegen den Einspruch des NRW-Innenministers Weyer habe sich der SPD-Stadtrat für die Einführung der paritätischen Mitbestimmung entschieden. Der Einspruch Weyers drücke "das politische Interesse der FDP an dieser Angelegenheit aus. … Entlarvend jedoch ist die Tatsache, daß sich Sozialdemokrat Kühn hinter Weyer stellt und damit sogar die Mitbestimmungspolitik seiner eigenen Partei ad absurdum führt. Natürlich geht es Kühn nur darum, die Koalition mit der FDP in Nordrhein-Westfalen nicht aufs Spiel zu setzen. Seine Haltung in diesem Fall hat aber neue Gegensätze in der SPD hervorgerufen. Die Glaubwürdigkeit der SPD-Bonzen verringert sich in den Basisorganisationen der Partei.
Aus Bayern wird die für den 31.6.1971 angekündigte Stillegung des Osram Röhrenziehwerkes (85 Beschäftigte) in Neustadt (?) gemeldet.
Kommentiert wird die Forderung des CDU-Wirtschaftsministers des Saarlandes, Schäfer, für eine "nach Regelmechanismen funktionierende Wirtschaftspolitik und eine zentrale konzertierte Einkommenspolitik. Er wollte 'die Notwendigkeit eines Beitrags jeder autonomen Gruppe unserer Gesellschaft zu konzertiertem Verhalten in kritischen Situationen' herausstellen. Damit plädiert die CDU wie schon Gesamtmetall und teilweise die SPD nach den verstärkten Klassenkämpfen anläßlich der IGM-Tarifrunde für mehr Druck auf die Gewerkschaften bei weiteren Lohnerhöhungen. … Wenn Schäfer dann noch die 'Eigengesetzlichkeit des Unternehmerverhaltens' hervorhebt, die von der Bundesregierung zu beachten sei, dann ist klar, daß er die vollständige Knebelung der Arbeiterklasse unter Mithilfe der SPD-Regierung will. Dagegen werden die Kämpfe der Arbeiterklasse unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei in der nächsten Zeit gerichtet sein."
Berichtet wird u.a.:"
Die FDP hat ihre Funktion als Partei des kleinen Kapitals schon lange verloren. … Die Partei zerfällt jetzt in einen sozialdemokratischen, einen mittleren und einen faschistischen Block. In Schleswig-Holstein setzt sich die sozialdemokratische Fraktion innerhalb der Partei gegen den Willen der Parteiführung durch: sie strebt eine Koalition mit der SPD auf Landesebene an. In Baden-Württemberg wurde zur gleichen Zeit die Unvereinbarkeit gleichzeitiger Mitgliedschaft in der FDP und der NLA festgelegt. Der Bundesparteivorstand wird in Kürze eine gleiche Entscheidung fassen."
In "Schmutzige Geschäfte - Pompidou in Moskau" heißt es u.a.:"
Den Sowjetrevisionisten kann es gar nicht schnell genug gehen, sich bei den imperialistischen Staaten des Westens einzuschmeicheln. Mit England, Japan, der BRD und Frankreich gleichzeitig führen sie große Verhandlungen, bei denen sie die Sowjetunion immer stärker von der kapitalistischen Wirtschaft und ihren Krisen abhängig machen. … Die besondere Betonung der Freundschaft mit Frankreich hat über die Interessen der neuen Kapitalisten in der SU hinaus besondere politische Bedeutung: Zum einen wollen die SU-Imperialisten die feindliche Haltung Frankreichs gegenüber den USA ausnutzen, um ihre Interessensgebiete in Europa weiter abzusichern, zum andern sind sie durch die freundschaftlichen Beziehungen Frankreichs zur VR China (zur Zeit ist auch Couve de Murville in Peking) gezwungen, stärker um die Freundschaft Frankreichs zu werben".
Zu Bolivien wird berichtet:"
Wie bereits gemeldet, planten die US-Imperialisten bereits seit einiger Zeit die Inszenierung eines Militärputsches in Bolivien. Schon im September hatten einige rechte Offiziere einen Putschversuch gestartet, der mit einem Kompromiss mit dem Präsidenten, General Ovando, endete. Nun versuchte eine grössere Zahl von rechten Offizieren, massiv unterstützt von der US-Botschaft und den enteigneten US-Kapitalisten, erneut die Macht zu übernehmen. Nach dem halbgeglückten Putsch im September hatte die SIFA, die Geheimdienstorganisation der Armee, die sich in der Hand der rechten Offiziere befand, die Entlassung einiger besonders 'radikaler' Offiziere und Minister durchgesetzt. Unter den Offizieren befand sich auch General Torres. Unter der Führung von Torres versuchten die linken Kräfte im Offizierscorps, nach Bekanntwerden des Putsches, einen Gegenputsch zu starten. Sie wurden von der bolivianischen Gewerkschaftszentrale COB und der linksnationalen-revolutionären Partei unterstützt. Sowohl die Gewerkschaften als auch die LNRP, die eine reformistische Arbeiter- und Kleinbauernpartei ist, erklärten, daß sie mit den Maßnahmen des Generals Ovando nur zum Teil einverstanden seien, aber mit allen progressiven Kräften zusammenarbeiten würden, um den faschistischen Staatsstreich zu bekämpfen. Nachdem die Gewerkschaften den Generalstreik erklärt hatten, sammelten sich in Cochabamba, der zweitgrößten Stadt des Landes, einige tausend bewaffnete Arbeiter und Bauern, die zusammen mit Studenten und Soldaten der örtlichen Kasernen, gegen die Hauptstadt marschierten. In der Hauptstadt fanden Straßenkämpfe statt, in denen die Truppen des Generals Torres, zusammen mit großen Teilen der Bevölkerung, die faschistische Offiziersclique entmachteten. Die kämpfenden Volksmassen stürmten das Stadtgefängnis und befreiten die politischen Gefangenen. Die Kämpfe in Bolivien, wie auch in Peru, und die Wahlergebnisse in Chile zeigen, daß die nationale Kleinbourgeoisie in Lateinamerika sich anschickt, die einheimische Kompradorenklasse und die Großgrundbesitzer zu entmachten.
…
Die in Bolivien, Peru und Chile stattfindenden Ereignisse sind ein Teil der demokratischen Revolution, die unter den besonderen politisch-ökonomischen Verhältnissen in den unterentwickelt gehaltenen Ländern Lateinamerikas zugleich einen antiimperialistischen Kampf mit einschließt."
Aus den USA wird über den Anstieg der Arbeitslosenquote um 0, 5% in einem Monat auf 5, 5% berichtet:"
Wichtig ist, daß erstmals eine größere Anzahl weißer Arbeiter auf der Straße sitzt. Diese Tatsache könnte dazu beitragen, den Rassismus der weißen Arbeiter gegenüber den schwarzen abzubauen."
Zu den 30 Mio. ganzen oder halben Analphabeten in den USA wird bemerkt:"
Auch die Erziehungssysteme der imperialistischen Länder sind Instrumente der Ausbeutung der am schlechtesten gestellten Klassen. Kapitalistische Produktionsweise und Verdummung der Massen: das ist unlösbar miteinander verbunden."
Zum Aufstand in 4 New Yorker Gefängnissen wird kommentiert:"
Solche Revolten in Gefängnissen sind in Amerika nicht einfache Meutereien von Kriminellen. Von hier aus haben die Afro-Amerikaner sich zu organisieren begonnen, die, zum Lumpenproletarierdasein gezwungen, ihre Existenz nur noch durch Diebstahl haben erhalten können."
Ebenfalls berichtet wird darüber, daß Demonstrationen vor dem weißen Haus nur noch bis 100 Teilnehmer erlaubt sind und daß die USA ihre Waffenlieferungen an das faschistische Griechenland nun auch offiziell wieder voll aufnehmen.
Zur Abwertung der südvietnamesischen Währung um 55% wird festgestellt:"
Solange die US-Imperialisten ihre Aggressionstruppen in Indochina belassen, um dort mit Hilfe der einheimischen Kompradorenbourgeoisie die Völker zu unterdrücken, werden alle Manöver zur Rettung der nationalen Wirtschaft vergebens sein."
Zu den "US-Truppen in Europa" wird bemerkt:"
Der Einfluß des amerikanischen Imperialismus in Europa geht zurück. … Die sowjetischen Revisionisten gewinnen immer mehr an Boden: politisch und ökonomisch, sowohl im Nahen Osten als auch in Europa. … Auf der Basis der friedlichen Koexistenz ist es der SU gelungen, bei der Aufteilung der Welt den US-Imperialisten viel Boden wegzunehmen. Der Widerspruch zwischen den USA und der SU, der die kapitalistische Konkurrenz zweier Staaten um die Hegemonie in der Welt ausdrückt, verschärft sich; die SU drängt die US-Imperialisten immer mehr zurück. Die US sind in der Zwickmühle: einerseits müssen sie die konterrevolutionäre Rolle, die der SU-Revisionismus in der Weltrevolution spielt, unterstützen, andererseits können sie es sich nicht erlauben, die Profite, die sie aus Europa, Asien und Südamerika schlugen, den SU zu überlassen. Unter diesem Aspekt muß auch das militärische Engagement der US in Europa gesehen werden. … Trotz der finanziellen Misere werden die USA daher weiterhin die Stützpunkte ihrer militärischen Aggression in Europa besetzt halten."
In "Japanische Monopolbourgeoisie bildet Generalstab" heißt es u.a.:"
Einen 'Wirtschaftsgeneralstab', der die gesamte Wirtschaftspolitik in Japan bestimmen soll, haben 22 führende Monopolvertreter in Tokio gebildet. … Dieser soll später zum Entscheidungsgremium für die gesamte japanische Wirtschaft umgestaltet werden."
Für November wird das Erscheinen von 'Bolschewik' - früher Revolutionärer Weg - Theoretisches Organ der KPD/ML, angekündigt.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 40, Bochum 10.10.1970