Kommunistischer Nachrichtendienst der KPD/ML und des KJVD, Jg. 1, Nr. 44, 24. Okt. 1970 [fehlt]

24.10.1970:
Die Nr. 44 des 'KND' (vgl. 21.10.1970, 26.10.1970) der KPD/ML-ZB erscheint mit 12 Seiten und geht im Leitartikel mit der Schlagzeile "Kampf der SPD-Regierung, den Handlangern des Monopolkapitals!" auf die Lohnleitlinien, die die Bundesregierung für 1971 vorgelegt hat, ein:"
Damit hat die SPD-Regierung den Wunsch der Kapitalisten erfüllt, ihnen ein Werkzeug zur Unterdrückung der Forderungen der Arbeiterklasse in die Hand zu geben. Folgende Zahlen hat Schiller bekanntgegeben: Die Preissteigerung für den privaten Verbrauch soll auf 3 % (!) gedrückt werden. Das Bruttoeinkommen für die Kapitalisten soll um 3 - 4 % zunehmen, das Bruttoeinkommen je 'Beschäftigten' soll um 8 1/2 bis 9 1/2 % wachsen. Für kommende Lohnabschlüsse bleiben nach Schillers Auffassung 7 - 8 1/2 % über. Diese Leitlinien will die SPD-Regierung auf jeden Fall durchsetzen: Schiller hat angekündigt, daß, wenn die 'Tarifpartner' sich nicht an diese Richtlinien hielten, die Regierung zu anderen Maßnahmen greifen müßte. Die Leitlinien sollen nach Schiller erst ab 71 gelten, doch will er sie möglichst schon vorher durchsetzen. Daß die SPD-Regierung diese Daten gerade in der entscheidenden Phase der Tarifauseinandersetzungen für Metall bringt, zeigt, daß sie entschlossen ist, mit diesen Leitlinien noch auf die Verhandlungen einzuwirken und die Arbeiter einzuschüchtern. Danach werden die Leitlinien vor allem wichtig für den öffentlichen Dienst, da hier die SPD-Regierung als Arbeitgeber das erste Mal versuchen wird, diese Richtlinien durchzusetzen. Schiller kündigte für die Verhandlungen im Öffentlichen Dienst einen 'harten Maßstab' an. Die SPD-Regierung muß hier beweisen, daß sie bereit ist, hart gegen die Forderungen der Arbeiterklasse vorzugehen. Ansonsten verliert sie ihre politische Funktion für die Monopolbourgeoisie. Bei der Übernahme der Regierung durch die reaktionären Parteien des Monopolkapitals hat die SPD damit schon den Weg für die Ergreifung von weiterführenden faschistischen Maßnahmen zur Unterdrückung der Arbeiterklasse geebnet."

Berichtet wird von der Jahresversammlung des Europäischen Bundes freier Gewerkschaften (EBFG) in Düsseldorf (vgl. 14.10.1970).

Zu der Metalltarifrunde (MTR) wird bekanntgegeben, daß für Klöckner Bremen beim Hauptvorstand eine Urabstimmung über Kampfmaßnahmen für 10% beantragt worden sei, obwohl die ursprüngliche Forderung 18% betragen habe.

In Bayern seien die Verhandlungen für gescheitert erklärt worden, während in Nordbaden/Nordwürttemberg die Vorbereitungen für die Urabstimmung am 28.10.1970 bereits angelaufen seien und der Verbandsvorsitzende der Kapitalisten Frankenberger für den Fall eines Streiks bereits mit Aussperrung gedroht habe. In diesem Gebiet kam es zu Streiks am 22.10.1970. In Südwürttemberg/Hohenzollern gab es einen Einigungsvorschlag (vgl. 21.10.1970).

In NRW habe SPD-Arbeitsminister Figgen einen Vermittlungsvorschlag von 12, 5% Lohn- und Gehaltserhöhung gemacht, um einen Streik zu verhindern. Dieser Vorschlag sei sowohl von den Kapitalisten als auch von den 'IGM-Bonzen' wenigstens als Verhandlungsvorschlag akzeptiert worden. Allerdings kam es in NRW jüngst noch zu Streiks in Unna (vgl. 19.10.1970) und Mülheim (vgl. 20.10.1970). Ebenfalls gestreikt wurde am 19.10.1970 in Kiel und Hamburg.

Von den Tarifverhandlungen der IG Chemie wird bekanntgegeben, daß für die 15 500 Beschäftigten der Papier-, Pappe- und Zellstoffindustrie Bayerns rückwirkend vom 1.9. an eine Lohnerhöhung bis zu 22 Pf. in der Stunde vereinbart worden sei.

Aus NRW wird u.a. noch berichtet von den Angestellten der Ruhrkohle AG und deren Protesten am linken Niederrhein (vgl. 5.9.1970).

Eingegangen wird auch noch auf eine der angekündigten 'sozialen Maßnahmen' der SPD/FDP-Regierung, die flexible Altersgrenze, wozu das Deutsche Industrieinstitut gerade einen Entwurf vorgelegt habe:"
In einer Untersuchung zur flexiblen Altersgrenze kommt das Institut zu dem Ergebnis, daß auch 'bedeutsame sozial- und arbeitsmarktpolitische Überlegungen' für die Einführung der flexiblen Altersgrenze sprechen. Wie diese Überlegungen der Kapitalisten aussehen, zeigen ihre weiteren Ausführungen: Die flexible Altersgrenze sei gut, weil dadurch 'konjunkturelle Beschäftigungsschwankungen', die 'erfahrungsgemäß am stärksten' ältere Arbeiter betreffen, aufgefangen werden können. Das heißt, die Kapitalisten wollen auf diese Weise in der Krise ohne viel Schwierigkeiten die älteren Kollegen auf die Straße setzen. Gleichzeitig wollen sie sich so in der Hochkonjunktur Arbeitskräfte sichern: Sie wollen 'manchen rüstigen Mittsechziger zur Weiterarbeit bewegen', indem sie ihm bei längerer Arbeit eine höhere Rente versprechen - die für die meisten Arbeiter wegen der steigenden Preise ohnehin lebensnotwendig ist. Um jedoch auf jeden Fall zu verhindern, daß die flexible Altersgrenze für die Kapitalisten mehr kostet (etwa durch Erhöhung der Beitragssätze zur Rentenversicherung), legt das Industrieinstitut fest: 'Wirtschaftlich tragbar und sozial gerecht' ist nur eine flexible Altersgrenze, bei der eine vorzeitige Rente 'versicherungsmathematisch korrekt gekürzt' wird, um den Beitragsausfall und die längere Rentenlaufzeit auszugleichen; wer länger arbeitet als bis 65, soll entsprechend mehr Rente bekommen; d.h., wenn die Kapitalisten in der Krise die älteren Kollegen zwingen, vor dem 65. sich 'vorzeitig zur Ruhe zu setzen', bekommen sie gleichzeitig weniger Rente. Wer länger arbeitet wird ebenso beschissen: Er stellt seine Arbeitskraft einige Jahre länger zur Verfügung, damit der Kapitalist Mehrwert akkumulieren kann und der Staat Rentenzahlungen spart; zur Belohnung erhält er etwas mehr Rente - aber natürlich lange nicht das, was er Staat und Kapital in dieser Zeit erspart hat.

Die übrigen von der SPD-Regierung vorgelegten Pläne enthalten alle genau dieselbe Konsequenz (nur das der Frührentner bei manchen Vorschlägen das 'Recht' hat, neben der gekürzten Rente noch anderweitig Geld dazu zu verdienen). Das heißt: Das Geschrei der SPD über die 'soziale' flexible Altersgrenze ist nichts anderes als offener Betrug: Die SPD-Regierung zementiert in Wirklichkeit die Rechte der Monopolkapitalisten, über die Ware Arbeitskraft nach ihrem Gutdünken zu verfügen."

Im Beitrag "Kommission für sozialen Wandel" heißt es:"
Die Sozialdemokraten wissen nicht mehr ein noch aus, wie sie als Agenten des Monopolkapitals gleichzeitig die Profite der Kapitalisten erhöhen und die Arbeiterklasse unter Kontrolle halten sollen. Also richten sie eine weitere Kommission ein, die ihnen das Rezept verschaffen soll, wie man die Zukunft der kapitalistischen Produktionsweise bei fortschreitender Rationalisierung und Automation im Interesse der Profite des Monopolkapitals erhält ohne daß das Proletariat erkennt, wie es ausgebeutet wird. Daß im Kapitalismus die Rationalisierung immer auf Kosten der Arbeiter geht, ahnen auch die Sozialdemokraten. Ihre Kommission kann also nur die Aufgabe haben, herauszufinden, wie man in diesem Widerspruch das Entstehen revolutionären Bewußtseins in der Arbeiterklasse durch ein paar krückenhafte 'innere Reformen' verhindern kann. Wenn die Kommission in vier Jahren ihre Vorschläge auf den Tisch legen wird, werden die Mittel der Krisenmanager bereits längst vom Kampf der Arbeiterklasse unbrauchbar gemacht worden sein."

Zur Milchpreiserhöhung wird u.a. betont:"
Um die Empörung unter den Bauern nicht zu groß werden zu lassen, ist die SPD-Regierung gezwungen, ihnen in Teilbereichen Zugeständnisse zu machen. So hat schon Ertl die Forderung des Bauernverbandes nach Erhöhung des Milchpreises nicht ganz zurückgewiesen, da 1970 (?, d.Vf.) nicht mehr der Aufwertungsausgleich an die Bauern gezahlt wird (1970: einmalige Zahlung von 920 Mio. DM) und sich damit die Lage der weiter verschlechtert. Auch der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Deneke hat jetzt erklärt, daß der alte Milchpreis nicht mehr zu halten sei; da Milchwirtschaft vorwiegend von den Klein- und Mittelbauern betrieben wird (während sich die Großbauern auf die höhere Profite abwerfende Bullenmast spezialisieren), würde ein großer Teil der Bauern von einer Milchpreiserhöhung betroffen. Denekes Rechnung zeigt jedoch, daß er keineswegs nur die Lage der Bauern verbessern will: Er wies darauf hin, daß seit der letzten Milchpreiserhöhung 1967 die Produktionskosten in der Molkereistufe um 2, 8 Pfennig pro Liter gestiegen seien. Eine Erhöhung der Verbraucherpreise um 4 Pf. wird also die Spanne zwischen 'Erzeuger-' und 'Verbraucherpreisen' weiter vergrößern, ohne wesentliche Verbesserungen der Lage der Bauern. Das landwirtschaftliche Großkapital hat inzwischen seine Zusammenarbeit mit der Monopolbourgeoisie neu bekräftigt: auf einer Agrarjournalistentagung erklärten Freiherr Heeremann vom Bauernverband und der BdI-Geschäftsführer Neef weitgehende Übereinstimmung in Grundsatzfragen der Wirtschafts- und Agrarpolitik: Als gemeinsame Interessen der Großbauern und des Monopolkapitals wurden hervorgehoben die Abwehr von 'Kommunalisierung von Grund und Boden' und Vergesellschaftung von Produktionsmitteln und der Kampf gegen die paritätische Mitbestimmung."

Eingegangen wird auch auf die "Werkspolizei", zu der u.a. gesagt wird:"
Der BdA verstärkt seine Bemühungen, die Kämpfe der Arbeiterklasse in den Betrieben zu unterdrücken. Die Kapitalisten, die im BdA vereinigt sind, wollen die 'Aktivitäten linker Gruppen in den Betrieben' stärker beobachten, um alle Aktivitäten dieser Gruppen zentral zu sammeln und auszuwerten. Dieses zusammengetragene Material soll Grundlage für die Abwehrmaßnahmen der Kapitalisten sein." Beispiele berichten von Felten und Guillaume Köln sowie von Conti Hannover. "Und die D'K'P tut so, als sei diese Entwicklung den Plänen der SPD nach 'mehr Demokratie' entgegengesetzt. Dabei will sie natürlich nichts davon wissen, daß die Maßnahmen der Kapitalisten in Einklang stehen mit den Aktivitäten der SPD: Ausbau des Bundesverfassungsschutzes (…), Umorganisierung des Bundesgrenzschutzes zu einer Bürgerkriegsarmee (…) sowie die Vorbereitung der Polizei für den Einsatz gegen die Arbeiterklasse. (Handgranatengesetz …)"

Berichtet wird von der "sozialen Demagogie" der CSU in derem jüngst verbreitetem Programm "Freizeit und Erholung" (vgl. 28.4.1970) und auch von der NLA in Hessen:"
Da der Aufbau der NLA als faschistischer Organisation nicht mehr weit genug bis zu den Landtagswahlen in Hessen vorangetrieben werden kann, hat die NLA-Landesgruppe Hessen bei ihrer Gründungssitzung in Giessen ihren Anhängern empfohlen, die CDU als reaktionäre Partei des Monopolkapitals zu wählen. Der in den NLA-Vorstand gewählte Vertriebenenfunktionär Wollner will diese Entscheidung auch unter den Vertriebenen propagieren. Außer Wollner gehören zum hessischen NLA-Vorstand: der Sohn des bayrischen NLA-Vorsitzenden und Schuhfabrikanten Christ. Bahner; Hans Joachim Hadasch, beschäftigt in einer Frankfurter Filiale von Bahner, der Giessener Angestellte Petzold, der Bankkaufmann K.Meyer-Borgmann und der Bürgermeister J. Ochs aus Christrode."

In der Rubrik "Zusammenschluß des internationalen Finanzkapitals" heißt es über "Commerzbank und Credit Lyonnais" u.a.:"
Die nach der Bilanzsumme drittgrößte deutsche Bank, die Commerzbank, und die zweitgrößte französische Bank, Credit Lyonnais haben eine enge Zusammenarbeit vereinbart, bei der nur noch die juristische Vereinigung fehlt. Während sich die internationale Expansion der Commerzbank bisher hauptsächlich über eigene Töchter oder Beteiligungen in Afrika, England (Großbritannien, d.Vf.) und Luxemburg sowie über Korrespondenzbanken vollzog, wird mit diesem Schritt der Weg zu einem multinationalen imperialistischen Bündnis des Finanzkapitals beschritten. Die 'Operationsbasis' dieses Bündnisses ist die EWG, da der westdeutsche Kapitalmarkt auf lange Sicht keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stellen kann, um die Ausbeutung der kolonialen Märkte und die verschärfte Konkurrenz gegenüber dem amerikanischen und japanischen Finanzkapital auszutragen. Die Zusammenarbeit mit Credit Lyonnais dürfte schon deshalb von der Commerzbank betrieben werden, weil die französische Bank eine staatliche Bank ist. … Das Finanzkapital folgt damit einerseits den internationalen Organisationsformen des Industriekapitals, um es noch besser bei der imperialistischen Ausweitung unterstützen zu können. Dabei sind besonders Anstrengungen in Afrika vorgesehen. Andererseits zeigt sich die krisenhafte Entwicklung des westdeutschen Kapitals. Es ist gezwungen, sich immer mehr zu konzentrieren, sich andere Kapitalien (auch ausländische) zu unterwerfen. Dies bereiten die großen Finanzmonopole vor, die mit dem Industriekapital eng verflochten sind. Es ist klar, daß mit solchen Fusionen die Konkurrenz unter den Finanzkapitalien nicht beseitigt wird, auch im europäischen Rahmen nicht. Im Gegenteil, die Widersprüche zwischen den großen Monopolen und ihren international organisierten Banken gegenüber den anderen Monopolen verschärfen sich ebenso wie die Konkurrenz zu den kleineren und mittleren Kapitalisten, denen immer mehr Mittel entzogen werden und die die imperialistische Expansion (Ausweitung) nicht mehr mitmachen können. Diese 'Fastfusion' zeigt weiterhin, wie völlig illusionierend die Gewerkschaftsführer und die D'K'P mit ihrem Gerede von der Mitbestimmung und der Demokratisierung der Entscheidung in den Monopolen sind. Der Ausweg kann nicht die Demokratisierung der internationalen Monopolbourgeoisie sein, sondern nur ihre Enteignung und die Sozialisierung der Banken und des Monopolkapitals."

In "Neue SU-Militärstützpunkte" u.a. in Mauritius und Singapur (vgl. Juli 1970) heißt es u.a.:"
Die sozialimperialistische Führungsclique der KPdSU ist bestrebt, in immer stärkeren Maße sich Militärstützpunkte in fremden Gebieten anzulegen. Diese sollen als Ausgansgpunkt der aggressiven Politik der Führungsclique gegenüber dem Hauptkonkurrenten, den US-Imperialisten und zur Unterdrückung der Völker dienen. Nachdem es ihr gelungen ist, den Kampf der arabischen Völker gegen den US-Imperialismus dazu auszunutzen, sich Militärbasen im nordafrikanischen Raum zu schaffen, geht die verbrecherische Clique nun daran, die Basen durch Stützpunkte im Stillen Ozean und entlang der Schiffahrtsroute um das Kap der Guten Hoffnung zu ergänzen. … Im Golf von Bengalen, zwischen Madras und Kalkutta, baut die SU eine Marinebasis für die indische Marine, die dort den Service für die in der SU gekauften Kriegsschiffe erhalten soll. Zudem experimentieren die SU-Führer derzeit mit großen künstlichen Inseln, die als treibende Stützpunkte in internationalen gewässern den derzeitigen Mangel an leistungsfähigen Nachschubbasen ausgleichen sollen."

Berichtet wird auch aus Bolivien (vgl. 21.10.1970), über die Prinzipien des wirtschaftlichen Aufbaus in der VR China und über die sonntägliche Sendereihe von Radio Tirana über den modernen Revisionismus und den Kampf dagegen. Über den 'KND' wird bekanntgegeben, daß dieser regelmäßig Dienstag und Freitag nachmittag verschickt werde, für Verspätungen und Verschwinden sei die 'KND'-Redaktion nicht verantwortlich, diese seien ggf. durch Übermittlung neuer Adressen durch die Landesverbände abstellbar.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 44, Bochum 24.10.1970