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Januar 1976:
Der Kommunistische Jugendverband Deutschlands (KJVD) der KPD gibt die Nr. 1 seiner 'Kämpfenden Jugend' (KJ - vgl. 10.12.1975, Feb. 1976) erstmalig in der neuen Form eines Jugendmagazins heraus. Es erscheint der Artikel:„
Wintersport. Bis hin zum Mord
Gerade auch der Wintersport hat den Stempel kapitalistischer Profitjagd aufgedrückt bekommen. Es sind Bourgeois, die sich in St. Moritz zu kostspieliger Zerstreuung versammeln, es sind entsprechend auch in der Mehrzahl Bourgeois-Söhne und -Töchter, die in die Eliten aufsteigen, und sie selbst wiederum sind nichts anderes als Objekte der Ausbeutung für die großen Profitmacher: Wintersportartikel-Fabrikanten, Touristik-Unternehmen, Fremdenverkehrsverbände.
Der Todessturz des 19jährigen Abfahrtsläufers Michel Dujon, die gebrochenen Rückenwirbel des Exweltmeisters Roland Colombin bereits zu Beginn der Saison sprechen eine deutliche Sprache: Die gefeierten Cracks sind nichts als Kanonenfutter für die Profitschlachten der großen Sport-Kapitalisten. Der Chef der Schweizer Mannschaft meint kaltblütig: „Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Fahrer gesund nach Innsbruck zu bringen und dadurch immer drei Sekunden auf der Spitze einzubüßen.“
Todesstürze, schwere Verletzungen sind typisch für die Ski-Abfahrtsrennen, wo entgegen aller Vernunft Geschwindigkeiten zwischen 120 und 140 km/h gefahren werden. Das Verheizen von Sportlern für Meister-Titel und olympische Medaillen hat aber noch andere Formen. Das Vorspiel zu den letzten Deutschen Eiskunstlauf-Meisterschaften zeigt das. Man muss schon eine der reaktionärsten Zeitungen in der BRD lesen, um den Blick für die Klassenwirklichkeit im kapitalistischen Eiskunstlauf-Geschäft vollständig verkleistert zu kriegen, nämlich die. DKP-Schmiere UZ. Dort heißt, es zur Konkurrenz zwischen Gerti Schanderl, die inzwischen deutsche Meisterin geworden ist, und lsabel de Navarre: Zu den Deutschen Meisterschaften in Bremerhaven gebe es „den Wettkampf der Temperamente: Hier die tänzerisch begabte, stille, schwane lsabel, mit dem sanften Schlittschuh. Dort die draufgängerische, dunkelblonde Gerti, unter deren Schlittschuhkufen beim Sprung die Eiskristalle stieben.“ (UZ, 16.12.75).
Die reaktionäre UZ zeichnet genau das Bild vom „friedlich-sportlichen Wettstreit der Talente und Temperamente“, das die übrige bürgerliche Sport presse schon längst nicht mehr aufrechterhalten kann. Es genügt, einen dpa-Bericht über die Begleitumstände der Deutschen Eiskunstlaufmeisterschaften zu zitieren: „Ständen Kopfschmerztabletten auf der Dopinggliste, die deutsche Vizemeisterin Gerti Schanderl könnte von den Deutschen Eiskunstlaufmeisterschaften in Bremerhaven sogleich den ersten Zug heimwärts nach München nehmen. Seit ihrer Gehirnerschütterung nach einem Sturz bei den Bayerischen Meisterschaften leidet sie fast ununterbrochen an Kopfschmerzen: „Ich stehe damit auf und gehe damit wieder ins Bett“, klagt sie. Und der Mannschaftsarzt der Deutschen Eislauf-Union (DEU), Dr. Montag, meint: „Wenn ich die Verantwortung für Gerti zu tragen hätte, ich würde sie hier nicht starten lassen.“
Gerti Schanderls Alternative ist bedrückend: Läuft sie nicht in Bremerhaven, riskiert sie mit Sicherheit ihre Olympia-Chance, startet sie gegen den Rat der Ärzte doch „riskiert sie möglicherweise ihre Gesundheit.“ Ihr behandelnder Arzt verschrieb Bettruhe, aber nach 3 Tagen stand sie wieder auf dem Eis, denn „eine Trainingspause kann ich mir nicht leisten“. Sie hat Angst vor bleibenden Gesundheitsschäden, aber, so fährt dpa fort: „Die Sorge, ihre Kunstlauf-Karriere frühzeitig beenden zu müssen, ist größer: Wenn ich hier nicht laufe, komme ich auch nicht zur Europa-Meisterschaft nach Genf, sagt sie. In Genf wird über die Olympia-Fahrkarten nach Innsbruck entschieden. Und wer dort nicht dabei ist, kann auch die Weltmeisterschaft in Göteborg in den Wind schreiben. Mit anderen Worten: Riskiert Gerti Schanderl nicht ein Stück von ihrer Gesundheit, verliert sie international ein ganzes Jahr. Dann, sagt sie, kann ich gleich aufhören.“ Diese Alternative zeigt in aller Deutlichkeit die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Profitsports: Die „Stars“ sind Gladiatoren, die ihre Haut zu Markte tragen.
„Wenn auch die Kopfschmerzen vergehen, das Unbehagen bleibt“, diesen hilflosen Schlussstrich zieht dpa unter die „Affäre“. Wer sein Unbehagen loswerden will, der muss den kapitalistischen Profitsport und seine von Jahr zu Jahr zunehmende Brutalität bekämpfen, muss eintreten für den proletarischen Massensport, der im Dienst des Volkes steht: Körperertüchtigung auf breiter Grundlage, damit wir im Klassenkampf und gegen Aggressionen von außen bestehen können. An die Stelle der schrankenlosen Konkurrenz auf Leben und Tod tritt die Solidarität.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 1, Köln Jan. 1976; Rote Fahne Nr.1 und 2,Köln 7.1.1976 bzw. 14.1.1976,S.* bzw. S.7
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